Einleitung

Beim DV im Allgemeinen und MLM im Besonderen handelt es sich somit um Unternehmen mit teilweise extremer und vereinnahmender Kultur, die neben begeisterten Anhängern auch scharfe Kritiker haben. In Deutschland wurde diese ungewöhnliche Organisationsform bisher wissenschaftlich nur wenig erforscht, obwohl der weltweite Direktvertriebsverband für 2005 von rund 7,85 Mrd. US-Dollar Umsatz und 700.000 Mitgliedern hierzulande ausgeht.[2] Über Begriffsbestimmungen und Marktbeschreibungen hinaus (Bundesverband Direktvertrieb [Ed.] 2002b; Engelhardt/Witte 1990; Tietz 1993) analysiert nur eine Untersuchung die organisationskulturellen Besonderheiten am Beispiel Tupperware (Blaschka 1998) – wobei sich in der vorliegenden Arbeit zeigen wird, dass dieses Unternehmen nicht als (typische) MLM-Organisation gewertet werden kann. Im Unterschied zu Deutschland gibt es im Rahmen des internationalen Forschungsstandes auch mehrere Studien zur spezifischen Organisationskultur (Pratt 2000b; Weierter 2001). Am bedeutendsten ist die von der Soziologin Biggart in den USA durchgeführte Arbeit "Charismatic Capitalism“ aus dem Jahr 1998. In dieser charakterisiert sie den DV als "way of life“ (Biggart 1989: 9): Mitglieder identifizieren sich in hohem Maße mit ihrem Unternehmen und sehen ihre Tätigkeit als Verwirklichung höherer Ideale an. So gehen loyale Vertriebsrepräsentanten davon aus, dass sie durch den Produktverkauf anderen Menschen helfen oder durch ihre Selbständigkeit sogar Gott und der (amerikanischen) Nation dienen (für eine Übersicht s. Biggart 1989: 131).

[2] Quelle: www.wfdsa.org/statistics/index.cfm?fa=display_stats&number=1, abgerufen am 1.5.2007.