Ideologie im MLM

Ideologie im MLM - am Beispiel von vier Zitaten aus den Interviews mit erfolgreichen Mitgliedern von Mary Kay Cosmetics und Amway:

"Da wurde es mir ganz klar, dass hier in dieser Firma hier dein zu Hause ist. Und dass es sich nur darum dreht, genügend zu arbeiten, um genügend zu verdienen, damit ich bei [früherem Arbeitgeber] aufhören kann. Aber dass der Sinn ... der Arbeit hier gefunden ist. Also, einfach mein, die Talente, die in mir stecken, die ich noch nicht kenne, die zu entdecken. Und diese Talente authentisch zu bleiben. Und eine Persönlichkeit zu bewahren." (Elite Leitende Direktorin MKC)

"Und als Mary Kay dann in mein Leben kam, habe ich gemerkt, es macht großen Spaß, Geld zu verdienen, nebenher Geld zu verdienen. Die positiven Menschen, ich habe sofort, also nach einem halben Jahr habe ich gemerkt, was in meinem Umfeld positiv und negativ war. Überwiegend war es negativ. Abgestoßen. Fuiit [wegwerfende Handbewegung]. Offener geworden, Freude gehabt. Das ist alles das, was sich an mir persönlich verändert hat. Ich bin gewachsen. Ich habe Bilder von damals, wo ich sage: Das bin ich nicht! Das kann ich nicht sein! – Wenn ich die heute meinen Kundinnen oder so was zeige, die finden mich nicht auf dem Bild. Also einfach gewachsen in jeder Beziehung." (Senior-Direktorin MKC)

"Also am Anfang – wir sagen immer im Spaß, es gibt fünf Gründe, warum man in dieses Geschäft kommt: Geld, Geld, Geld, Geld, Geld! So, das mag richtig sein, weil letztendlich dreht sich alles um Geld in unserer sehr materiellen Welt. Aber: Geld ist nicht der Punkt, warum jemand in diesem Geschäft bleibt und schon gar nicht, warum er es aufbaut. Sondern er muss das in ein Bild ummünzen, also er braucht eine … Wertigkeit für sein Leben und eine Vision, sagen manche auch einfach, so eine Vorstellung." (Smaragd Amway)

[Zum Mitgliederwechsel bei Amway]: Jemand "passt, oder der passt nicht! Nur, wenn er am Anfang nicht passt, dann wird er sich selber passend machen müssen, oder er geht – das ist eine ganz einfache Sache. ... Weil die Systeme werden sich nicht ändern, dafür sind sie weltweit zu erfolgreich – jedes, jedes –, sondern ich werde mich dem System anpassen … Amway ändert sich nicht wegen dir! [Lachen]" (Ehepaar Smaragd Amway)

Innerhalb von MLM-Unternehmen bestehen bei loyalen Mitgliedern teilweise ungewöhnliche Wertvorstellungen und Ideale. Diese sind so genannte Ideologien, also eine zusammenhängende Gruppe an Überzeugungen. Sie beziehen sich auf die Art und Weise, wie Individuen sind und sein sollten, was die eigene Organisation leisten kann und sogar, was unsere Gesellschaft ausmacht oder ausmachen sollte (s. Theoriekapitel 5 meiner Arbeit).

Auch wenn es sich bei solchen Überzeugungen um individuelle Überzeugungen handelt, so sind diese jedoch auch so genannte ’Unternehmensideologien’: Es sind nicht nur die Überzeugungen einzelner Menschen, sondern die Vorstellungen, die in einem Unternehmen produziert, propagiert und von (einem wichtigen Teil an) Mitgliedern geglaubt werden. Solche Ideologien dienen Unternehmen dazu, ihre Mitglieder in ihrem unternehmerischen Sinne zu steuern und zu kontrollieren (Bendix 1960; Potterfield 1999).

In meiner Arbeit gehe ich in mehreren Schritten vor. Zunächst zeige ich auf,

  • was loyale Mitglieder an ihrem Unternehmen fasziniert und begeistert und welche Überzeugungen sie mit ihm verbinden,
  • warum kritische und ehemalige Mitglieder diese Sichtweise nicht teilen und
  • was externe BeobachterInnen dazu sagen.

In einem weiteren Schritt stelle ich heraus,

  • wie die Überzeugungen bzw. Ideologien von den jeweiligen Unternehmen produziert und propagiert werden, also was die Mechanismen organisationaler Kontrolle sind.

Darauf aufbauend stelle ich Vermutungen an,

  • welchen möglichen Nutzen diese Überzeugungen für die Unternehmen haben können.

Damit wird deutlich, was loyale Mitglieder fasziniert, wie weniger enthusiastische Mitglieder das Unternehmen bewerten, was  KritikerInnen bezweifeln und was der Nutzen für die Unternehmen bei den entsprechenden Unternehmensideologien sein könnte.

Beachte: Ziel dieser wissenschaftlichen Analyse ist es, die Organisationen und ihre Funktionsweisen zu erläutern. Damit unterscheidet sich meine Arbeit erheblich von einem Handbuch mit Handlungsempfehlungen.