Tausende freie Jobs!

Versprechen

Während die Arbeitsmarktlage seit vielen Jahren unbefriedigend ist, versprechen Direktvertriebe (DV), Network-Marketing (NM) & Multi-Level-Marketing (MLM) tausende freie Stellen. So verkündete beispielsweise der Geschäftsführer des Bundesverbandes Direktvertrieb Deutschland e.V., dass „allein bei unseren 36 Mitgliedsunternehmen … bundesweit rund 50.000 Jobs zu vergeben“[1] sind.

Stimmt das?

Fakten
  • Fakt ist, dass es sich bei der Tätigkeit in DV, NM & MLM nicht um „Jobs“ im klassischen Sinne handelt. Bis auf die wenigen Beschäftigten im Innendienst sind die Vertriebsmitglieder selbständig.
  • Fakt ist, dass die meisten DV, NM & MLM ihre Mitgliederzahl nicht gezielt beschränken, denn es gilt: Neue Mitglieder verursachen kaum Kosten, weil sie selbständig sind. Zudem gilt: Je mehr Mitglieder sich beim Unternehmen einschreiben, desto mehr potentielle Kunden und desto mehr Gewinn hat das Unternehmen.
  • Fakt ist, dass somit jede und jeder geschäftsfähige Erwachsene sein Glück bei diesen Unternehmen versuchen kann. Und in diesem Sinne lässt sich auch die Aussage von „50.000 Jobs“ verstehen. Eine Selbständigkeit im DV, NM & MLM ist dennoch etwas anderes als ein sogenannter „400-Euro-Job“ mit festem Stundenlohn und vor allem etwas anderes als eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
  • Jede Selbständigkeit hat Vor- und Nachteile. Die Nachteile werden gerne vernachlässigt, wenn DV, NM & MLM für neue Mitglieder werben.
  • Selbständige sind weniger abgesichert als Arbeitnehmer. DV, NM & MLM sind nämlich keine wirklichen „Arbeitgeber“. Sie bezahlen keinerlei Sozialabgaben für ihre selbständigen Mitglieder.
  • Die komplette soziale Absicherung (wie Rente, Arbeitsunfähigkeit oder Krankenversicherung) muss somit von den Selbständigen selbst getragen werden.
  • Selbständige haben keinen festen Stundenlohn und somit auch kein gesichertes Einkommen (siehe dazu auch Kapitel „Beispielrechnungen“ zu Zeitaufwand, Kosten und Einnahmen von Verkaufsveranstaltungen).

Fazit:
Selbständige Mitglieder sind weder Mitarbeiter noch Arbeitnehmer. DV, NM & MLM haben keineswegs „tausende freie Stellen“, „Jobs“ oder „Arbeitsplätze“ zu bieten. Alles, was DV, NM & MLM zu bieten haben ist, dass sich tausende neue Mitglieder einschreiben können. Diese können dann auf eigene Kosten, auf eigenes Risiko, ohne garantierten Stundenlohn und ohne sozialversichert zu sein, mit den Produkten und Dienstleistungen des entsprechenden Unternehmens tätig werden.


Empfehlungen

Für Interessierte & Mitglieder:
  • Ergründen Sie Ihre Bedürfnisse und Erwartungen: Geht es Ihnen um Abwechslung? Mal rauszukommen aus dem Alltagstrott? Etwas Neues auszuprobieren? Produkte zu präsentieren, von denen Sie überzeugt sind? Dann werden Sie vielleicht positiv von Ihrer Tätigkeit überrascht sein und diese entwickelt sich zu Ihrem Hauptberuf. Und die Gefahr, enttäuscht zu werden, ist nicht sehr groß, denn Ihre Erwartungen sind gering und recht allgemeiner Natur. Sind Sie jedoch finanziell unter Druck und erhoffen sich mit Ihrer Tätigkeit ein gutes und geregeltes Einkommen oder gar Reichtum und Wohlstand? Dann haben Sie wahrscheinlich zu hohe Erwartungen, da dies nur wenigen Mitgliedern gelingt, wie beim Versprechen "Reichtum für alle"aufgezeigt wird.

Für seriöse Unternehmen:

  • Keine Augenwischerei: Von „Jobs“ oder „freien Stellen“ zu sprechen, wenn Mitglieder selbständig, auf eigene Kosten und nicht-sozialversichert arbeiten, ist Augenwischerei. Zum besseren Image der Branche kann Ehrlichkeit mehr beitragen als flotte Marketingsprüche.

Für politische Entscheidungsträger:

  • Öffentlicher Diskurs über DV, NM & MLM: Selbständigkeit (man erinnere sich an die „Ich-AG“) wird politisch gefördert, da Selbständigkeit als eine Lösung für hohe Arbeitslosigkeit gesehen wird. Mit mehreren hunderttausend selbständigen Mitgliedern scheinen DV, NM & MLM zu einer niedrigeren Arbeitslosigkeit beizutragen. Gleichzeitig bestehen gerade an den Einkommenschancen seit Jahrzehnten Zweifel und dementsprechend gehört eine Diskussion zu dieser Unternehmensform auf die politische Agenda. Drei Fragen, die diskutiert werden sollten, sind: 1. Was tragen diese Unternehmen zur Gesellschaft bei? 2. Was kann politisch getan werden, so dass diese Unternehmen mehr beitragen? 3. Was kann politisch getan werden, um bestehende Probleme zu vermindern?





 [1] Wolfgang Bohle, Pressemitteilung Bundesverband Direktvertrieb Deutschland e.V. vom 3.6.2009, Quelle: www.bundesverband-direktvertrieb.de/pressecenter/Pressemitteilungen/Mitteilung039.php, abgerufen am 2.4.2011.