Soziale Gerechtigkeit!

Versprechen

„Normale“ Unternehmen wählen ihre Arbeitnehmer streng aus und nur wenige Arbeitssuchende erhalten eine Chance. Ganz anders im Direktvertrieb (DV), Network-Marketing (NM) & Multi-Level-Marketing (MLM): Hier darf jeder einsteigen und arbeiten! Daraus leiten begeisterte Mitglieder von NM & MLM ab, dass ihr Unternehmen sozial gerecht sei: Keiner wird diskriminiert! Jeder ist unabhängig von Geschlecht, Alter, Ausbildungsniveau und Herkunft willkommen!

Doch sind NM & MLM wirklich sozial gerecht?

Fakten

Wie schon oben angeführt, haben NM & MLM i.d.R. keine Mitgliederbeschränkung: Jeder ist herzlich willkommen. Das klingt wertvoll und nicht diskriminierend, also sozial gerecht. Fakt ist jedoch, dass die meist unbegrenzte Aufnahme neuer Mitglieder zwei Gründe hat, die nicht mit Gerechtigkeit zusammenhängen, sondern finanzieller Natur sind:
  1. Mehr Mitglieder bedeuten einen höheren Umsatz für das Unternehmen, da Mitglieder i.d.R. Produkte des Unternehmens kaufen.
  2. Mehr Mitglieder erhöhen nicht unbedingt die Kosten des Unternehmens. Während andere Unternehmen ihren Mitarbeitern z.B. ein Gehalt bezahlen müssen, haben die Unternehmenszentralen von NM & MLM meist nur geringe Verwaltungskosten durch neue Mitglieder. Und diese anfänglichen Verwaltungskosten werden i.d.R. durch das neue Mitglied selbst abgedeckt, z.B. durch den Kauf eines „Starterkits“ oder dem Erarbeiten einer „Produkt- und Informationstasche“.

Auch andere Kosten, die „normale“ Unternehmen zu tragen haben, werden weitgehend von den selbständigen Mitgliedern bezahlt. Dies gilt z.B. für Schulungsmaterialien, Treffen und Seminare. Hierbei gibt es drei Möglichkeiten, wie die Kosten finanziert werden, ohne dass sie für die Unternehmen ernsthaft ins Gewicht fallen:
  1. Veranstaltungen und Materialien sind kostenpflichtig, d.h. das Mitglied bezahlt selbst.
  2. Veranstaltungen und Materialien sind durch die Upline (= Mitglied an der Spitze einer Downline) organisiert oder bereitgestellt. Die Upline verlangt von ihrer Downline nur den Selbstkostenpreis und berechnet nichts für ihren eigenen Arbeitseinsatz (Was sind „Downline“ und „Upline“? – Siehe Kapitel „Grundlagen 1“).
  3. Die Unternehmenszentrale trägt die Kosten für Schulungen, aber nur für bestimmte Mitglieder: Mitmachen dürfen nur die leistungsstarken, z.B. diejenigen, die besonders viele neue Mitglieder angeworben haben oder eine bestimmte Umsatzhöhe erreicht haben.
Sowohl bei Version 1 als auch 2 hat die Unternehmenszentrale weder Kosten noch Zeitaufwand. Alles wird von den selbständigen Mitgliedern bzw. der selbständigen Upline organisiert und geregelt. Bei Version 3 erhalten nur diejenigen Mitglieder etwas, die durch ihre Leistung schon in besonderem Maße zum Gewinn des Unternehmens beigetragen haben. Diese Mitglieder zu belohnen, rechnet sich finanziell für die Unternehmen.

Fazit: Bei den meisten NM & MLM ist jedes Mitglied willkommen, während „normale“ Unternehmen viel präziser kalkulieren müssen, wie viele Arbeitnehmer sie anstellen können. Dieser Unterschied hat nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, sondern mit der unterschiedlichen Unternehmensform: In „normalen“ Unternehmen kosten neue Mitarbeiter von Tag 1 an Geld (bzw. schon davor für die Auswahl und Rekrutierung). Für selbständige Mitglieder muss kein Gehalt und keine Sozialversicherung bezahlt werden. Die Rekrutierungskosten trägt die selbständige Upline. Die Aufnahme und Betreuung von selbständigen Mitgliedern verursacht für NM & MLM also schlicht kaum Kosten. Im Gegenteil: Jeder ist willkommen, weil Mitglieder i.d.R. von Tag 1 an Produkte kaufen und so den Umsatz des Unternehmens erhöhen.


Empfehlungen

Für Interessierte & Mitglieder:
  • Es bleibt ein Geschäft: Begeisterte Mitglieder von NM & MLM unterstreichen gerne, wie vorteilhaft „ihr“ Unternehmen sei und wie viel besser als andere Firmen: gerechter, mehr Freiheit, persönliche Entfaltung, nettere Atmosphäre usw. usf. Unabhängig davon, wie außergewöhnlich und herausragend die Werte eines NM & MLM klingen, es handelt sich dennoch um Wirtschaftsunternehmen.
  • Seien Sie ehrlich zu Ihrer Downline: Wer zu dick aufträgt und behauptet, dass „sein“ bzw. „ihr“ Unternehmen die Zeitenwende zu einer besseren Gesellschaft einleite, muss sich über Kritik und Gegenwind nicht wundern, auch nicht über ehemalige Mitglieder, die das Unternehmen enttäuscht verlassen. Seriöses Verhalten beinhaltet, die ganze Wahrheit zu erzählen, nichts zu beschönigen und nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Für seriöse Unternehmen:
  • Das Unternehmen wählt seine Strategie und trägt die Verantwortung für die Konsequenzen: Die Unternehmen haben die Wahl, welche Strategie sie fahren: eine starke Produktorientierung (= „klassischer DV“) oder eine Unternehmenskultur, die auf hohen Versprechen wie „Freiheit“, „jeder kann’s“, „sozialer Gerechtigkeit“ und einer „besseren Gesellschaft“ beruht. Wenn ein Unternehmen wegen seiner Unternehmenskultur kritisiert wird, dann liegt es in den Händen des Unternehmens bzw. des Managements, die Strategie zu verändern.


Für politische Entscheidungsträger:
  • Regulierung der finanziellen Seite lässt Luft aus übertriebenen Versprechen: Extrem hohe Versprechen und hochmotivierte selbständige Mitglieder, die ihr Umfeld „bekehren“ wollen, sind gesetzlich nicht zu beschränken oder zu kontrollieren. Die finanzielle Seite kann sehr wohl reguliert werden: Wenn Unternehmen verpflichtet wären, intern die Durchschnittsumsätze und den Anteil Erfolgreicher auf bestimmten Leistungsstufen zu veröffentlichen, könnten Mitglieder sich ihre Erfolgschancen selbst ausrechnen. Übertriebene Heilsversprechen würden schlagartig zurückgehen.
  • Daten zur Branche bieten Grundlage für Einschätzung ihrer Bedeutung: Wie oben erläutert würden unabhängige Daten zur Branche ermöglichen, eine Reihe von interessanten Fragen zu beantworten. Ein paar Beispielfragen sind: Für wen und in welchem Ausmaß bieten DV, NM & MLM eine Alternative zum ersten Arbeitsmarkt? Entlasten sie das soziale Sicherungssystem oder profitieren sie vor allem vom sozialen Sicherungssystem durch steuerliche Absetzbarkeit und Transferzahlungen für Selbständige? Inwiefern und für wie viele Mitglieder handelt es sich um eine nachhaltige Selbständigkeit? Was sind die Langzeitfolgen dieser Form von Selbständigkeit für das Rentensystem?