Idealer Nebenerwerb für Mütter!

Versprechen

Allseits und seit Jahren bekannt ist die schwierige Arbeitsmarktlage für Mütter, vor allem wenn ihre Kinder klein sind: Es gibt einen Mangel an Teilzeitstellen, bezahlbarer und guter Kinderbetreuung, flexiblen Arbeitgebern und einsatzfreudigen Vätern. Direktvertriebe (DV), Network-Marketing (NM) & Multi-Level-Marketing (MLM) versprechen einen Ausweg durch freie Zeiteinteilung und freier Wahl des Arbeitsumfangs. Die Tätigkeit wird als hervorragend geeignet für Mütter beschrieben. Das Versprechen lautet: Hier ist Familie und Karriere möglich!

Was sagen eigentlich die weiblichen Mitglieder hierzu?

Fakten

Eine selbständige Tätigkeit ohne festgelegten Arbeitsumfang ist in mancher Hinsicht gut mit den Bedürfnissen von Familien vereinbar: Der Zeitpunkt der Verkaufsveranstaltungen wird mit der Gastgeberin vereinbart, die Ware kann flexibel geliefert werden und die Wochentreffen finden zu festgelegten und damit planbaren Zeiten statt. In dieser Hinsicht ist die Tätigkeit familienfreundlich, sie „lässt sich um die Familie herumdrapieren“ wie eine Beraterin im Interview erklärte.
  • Doch zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auch die Seite des Berufes wichtig. Dazu berichten die weiblichen Mitglieder von einer Reihe von Problemen, die z.T. schon in den vorherigen Kapiteln zur Sprache kamen:Fakt ist, dass nur wenige Mitglieder ein Einkommensniveau erreichen, das einer Berufstätigkeit gleichkommt und auch die Höhe des Stundenlohns wird oft bemängelt (siehe Kapitel „Beispielrechnungen“ und „Informationen im Internet“).
  • Zudem ist, wie oben erläutert, die Tätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig. Da i.d.R. während der Familienphase nicht freiwillig Geld zur Absicherung der kindererziehenden Mutter auf die Seite gelegt wird, kann die Tätigkeit zum „frauen- bzw. mütterspezifischen“ Fallstrick werden: Sie kann zu mehr finanzieller Abhängigkeit vom Ehepartner führen, die Gefahr des sozialen Abstiegs bei einer Scheidung vergrößern und das Risiko von Altersarmut erhöhen.
  • Ein anderes Risiko liegt in der Tatsache, dass die Tätigkeit in DV, NM & MLM kein sonderlich hohes gesellschaftliches Ansehen genießt. Man kann dies kritisieren und sich dafür einsetzen, dass sich dies verändert. So lange keine Veränderung eintritt, besteht jedoch folgende Gefahr: Frau übt mit Freude jahrelang die selbständige Tätigkeit in DV, NM & MLM aus und genießt die freie Zeiteinteilung. Wenn die Kinder größer sind, will sie zurück in ihren ursprünglichen Beruf. Doch diesen hat sie – in den Augen vieler Arbeitgeber – verlernt. Und ihr jahrelanger Einsatz als selbständige Beraterin wertet ihren Lebenslauf nicht auf, da der Tätigkeit das gesellschaftliche Ansehen fehlt.
Fazit: Die Vereinbarkeit von Familie und Karriere in DV, NM & MLM ist nicht gerade einfach. Das Problem liegt dabei weniger bei der Familienfreundlichkeit: Wer nur ab und zu eine Verkaufsveranstaltung durchführt, nur innerhalb ihres Bekannten- und Freundeskreises Produkte verkauft und nur ab und zu zur Wochenschulung geht, kann das mit aller Wahrscheinlichkeit gut mit der Familienarbeit verbinden. Doch wer so handelt, macht auch im DV, NM & MLM schlicht keine Karriere. Ein gelegentliches Lob beim Wochentreffen tut gut und eine Anstecknadel als Belohnung für einen Wochenumsatz von 400 Euro ist vielleicht mehr Anerkennung als so manche Frau von ihrer Familie erhält. Doch ist dies noch lange keine Karriere, bietet keine finanzielle Sicherheit und beeindruckt kaum einen Arbeitgeber auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Empfehlungen

  • Für Interessierte & Mitglieder:Kennen Sie Ihre Hauptmotivation? Es gibt sehr viele Gründe, bei einem DV, NM & MLM mitzumachen: Sie mögen die Produkte und Ihre nette Nachbarin hat Sie gefragt, ob Sie nicht mitmachen wollen. Außerdem wollen Sie Abwechslung in Ihrem Alltag. Sie sind kontaktfreudig und wollen nicht den ganzen Tag zu Hause versauern. Zudem tut es gut, sich auch ab und zu mal mit Erwachsenen über andere Themen als Kinder zu unterhalten. Wenn Sie einer oder mehrere dieser Gründe motiviert, tun geringe Einkünfte oder großer Aufwand vielleicht nicht weh. Ihre Tätigkeit hat Hobbycharakter. Wenn es Ihnen ums Geldverdienen geht, müssen Sie jedoch genauer hinschauen. Dann greifen die folgenden Punkte.
  • Bei anderen hinschauen: Ihre Anwerberin schwärmt Ihnen von tollen Karrieremöglichkeiten vor? Das inspiriert. Doch schauen Sie auch selbst hin: Wie viel wird verdient? Wie viel erreichen die Spitzenkräfte aus der lokalen/regionalen Gruppe und wie viele Stunden arbeiten sie und ihre Familien dafür? Schauen Sie von den Erfolgreichen nicht nur deren Begeisterung ab, sondern auch deren Pragmatismus in der Durchführung von Veranstaltungen, der Werbung neuer Gastgeberinnen und der Begleitung der eigenen Downline (siehe Kapitel „Beispielrechnungen“).
  • Beim Unternehmen hinschauen: Es gibt sehr viele verschiedene Unternehmen im Bereich DV, NM & MLM. Informieren Sie sich über Ihr Unternehmen. Schauen Sie z.B., wie viel durchschnittlich verdient wird und wie der Ruf des Unternehmens ist, was die Konditionen sind etc. (siehe auch Kapitel „Reichtum für alle“ und „Wo gibt es Finanzdaten?“). Die Wahl eines für Sie passenden Unternehmens kann Ihnen viel Zeit, Kosten und Frust ersparen.
  • Bei sich selbst hinschauen: Nicht jeder hat Verkaufstalent. Macht Ihnen Verkaufen Spaß? Werben Sie gerne neue Mitglieder und/oder Gastgeberinnen an? Es spricht nichts dagegen, dies alles einmal auszuprobieren. Aber verzweifeln Sie nicht, wenn Sie nicht zu den Verkaufsstars Ihrer Gruppe gehören. Es ist kein Zufall, dass die Durchschnittsumsätze pro Kopf oft gering sind – es kann und will schlicht nicht jeder verkaufen lernen.
  • Buchführung als Grundlage Ihres Geschäftes: Kosten aufschreiben, Zeitaufwand aufschreiben, ehrlich sein und rechnen – passen Sie die Beispielrechnungen am Ende des Buches auf Ihre Situation und Ihr Unternehmen an und kontrollieren Sie damit Zeitaufwand, Kosten und Einkünfte.
  • Woher kommt Ihr Einkommen? Verdienen Sie wenig, aber finden die Tätigkeit finanziell doch lohnenswert, weil Sie Steuern sparen können? D.h. Sie haben eigentlich vor allem hohe Kosten, aber die bringen ja Geld, da sie sich vom Einkommen Ihres Mannes absetzen lassen? Jeder freut sich über gesparte Steuern. Doch verwechseln Sie diese nicht mit Einkommen aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Nur bei einer solchen bezahlen Sie in Ihre eigene Rente ein und tragen Sie zu Ihrer finanzielle Unabhängigkeit bei.
  • Überlegen Sie, welche Rolle die Tätigkeit in Ihrer Lebensplanung hat: Es gibt keine offiziellen Zahlen, aber geschätzte 60-70% der Mitglieder hören im ersten Jahr der Tätigkeit auf bzw. verlängern ihre Mitgliedschaft nach einem Jahr nicht. Wenn Sie mit ihrem Einkommen zufrieden sind, selbst für Ihre Rente vorsorgen und Sie nicht in Ihren ursprünglichen Beruf zurück möchten, gibt es dazu vermutlich keinen Anlass. Wenn Sie jedoch nicht zufrieden sind, sollten Sie sich durch eine schlecht laufende Selbständigkeit jedoch nicht von der Suche nach einer erfüllenderen und finanziell attraktiveren Tätigkeit abhalten lassen. Wenn Sie sowieso in Ihren angelernten Beruf zurück möchten, dann schieben Sie diesen Schritt nicht hinaus. Die Tätigkeit in DV, NM & MLM steht Ihnen immer offen – für (an-)gelernte Berufe ist eine lange Familienpause dagegen oft riskant. Sie führt bei vielen Frauen zu Wiedereinstiegsproblemen, einer verbauten Karriere und Lohnverlust.
Für seriöse Unternehmen:
  • Keine Augenwischerei: Je besser die Versprechen zur Realität passen, desto seriöser das Unternehmen, desto besser der Ruf und desto geringer die Anzahl enttäuschter Ex-Mitglieder, die den Ruf schädigen können.
  • Unternehmensintern Zahlen veröffentlichen: Ehrlichkeit = Seriosität (siehe Kapitel „Reichtum für alle“).

Für politische Entscheidungsträger:
  • Interne Veröffentlichungspflicht für Unternehmen & eine externe Kontrollinstanz: Wie oben beschrieben würden eine interne Veröffentlichungspflicht für Unternehmen und eine offizielle Kontrollinstanz helfen, Mitgliedern eine realistische Sicht auf ihr Unternehmen und ihre Selbständigkeit zu bieten (siehe Kapitel „Reichtum für alle“).
  • Qualität der Selbständigkeit überprüfen: So manches Mitglied in DV, NM & MLM scheint keine sonderlich hohen Einkünfte zu erzielen. Aber dank des Ehegattensplittings lassen sich ja zumindest die Kosten vom Einkommen des Ehepartners absetzen und somit Steuern sparen. Dies freut den Einzelnen, sorgt aber nicht für die soziale Absicherung der Selbständigen. Diese muss bei Scheidung und ungenügender Rente von der Allgemeinheit getragen werden. Ist das wünschenswert? Handelt es sich hierbei um die verdeckte Quersubventionierung einer Branche, die keine Sozialabgaben auf Lohnkosten bezahlt? Solche Fragen gehören auf die politische Agenda.